Das Büro als Schlachtfeld
Den Anfang vom Ende markiert fast immer ein Gerücht, das in der Firma kursiert. Selbst ein Satz wie "Die ist aber immer sehr elegant angezogen!" birgt (ggf.) bereits die Saat
des Bösen in sich. Denn auf dem Boden von Neid und Missgunst vermag auch die an
sich harmlose Bemerkung üppige Blüten zu treiben: "Woher sie wohl das Geld für die teure Kleidung hat? Klaut sie vielleicht Firmengelder? Oder hat sie ein Verhältnis mit
ihrem Chef?"
Brodelt es in der Gerüchteküche derart hoch, ist das Phänomen Mobbing bereits weit fortgeschritten, erklärt die Psychologin Gabriele Veit. Die Metzingerin hat sich auf dieses Thema spezialisiert und ist Mitglied im Fachverbund VPSM (Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing e. V.). Gerade in Zeiten der Konkurrenz um Arbeitsplätze werden
die Ellbogen unter Kollegen gerne ausgefahren.
Zwar gibt es kein typisches Mobbing-Opfer, doch handelt es sich oft um Menschen, die
an ihrem Arbeitsplatz etwas bewegen. Wer positiv auffällt, wird mit negativen Bemerkungen in seine Schranken verwiesen - dieses universelle Neid-Prinzip lässt
sich nahtlos aufs Mobbing übertragen. Denn in zwei Dritteln aller Fälle spielt kollegiale Missgunst eine wichtige Rolle.
Es ist ein fieses Spiel, das mit denen getrieben wird, die firmenintern zum Opfer erkoren wurden. Verbalen Attacken können Tätlichkeiten folgen: "Da werden beispielsweise
Daten am Computer gelöscht, damit der Kollege einen Fehler macht", veranschaulicht Gabriele Veit. Dass das Mobbing-Opfer auf diese Ausgrenzungen mit Verzweiflung, Depressionen oder Aggressionen reagiert, erscheint Außenstehenden nur als nachvollziehbare Reaktion. Den mobbenden Kollegen dagegen liefert das nur neue Mobbing-Nahrung: Jetzt hat er auch noch "einen Schuss" weg, was ihre Stigmatisierung nachträglich zu rechtfertigen scheint.
"In der Hälfte alle Fälle verlassen die Gemobbten die Firma", berichtet Gabriele Veit. Denn in diesem Mobbing-Endstadium sind neben der Arbeit auch alle anderen Lebensbereiche von den Bösartigkeiten beeinträchtigt - Partner, Familienangehörige und Freunde leiden mit. Der Gemobbte kämpft während der ganzen Zeit mit den Folgekrankheiten der Psychoattacken: Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf- oder Magen-Darm-Beschwerden
sind auf der körperlichen Ebene typisch; Depressionen und eine posttraumatische Belastungsstörung, die immer nur nach extremen Traumata auftritt, belasten die Psyche so sehr, dass inzwischen jeder sechste Selbstmord mit Mobbing in Verbindung gebracht wird. "Mobbing ist eine der stärksten psychischen Belastungen, die es gibt", versichert
die Expertin.
Über die Psychoschikane einzelner Menschen hinaus stellt Mobbing inzwischen sogar ein gesamtgesellschaftliches Problem dar: Auf 25 Milliarden Euro beziffern Experten allein in Deutschland den entstehenden Schaden. Über Beiträge zu Krankenkassen oder Rentenversicherungen lastet ein Teil der Kosten auf der Allgemeinheit - und durch krankheitsbedingte Fehlzeiten sowie Produktivitätseinbußen nicht nur bei den Opfern, sondern auch bei den zusehenden Kollegen rächt sich Mobbing auf finanzieller Ebene
bei den Firmen, die ihm keinen Einhalt gebieten.
Folgerichtig muss es im Interesse eines jeden Unternehmens liegen, eine Atmosphäre
zu schaffen, in der Mobbing schon gar nicht entstehen kann. "Miteinander reden" heißt
die alles entscheidende Zauberformel. Denn (fast) jedem Mobbingfall liegt ein ungelöster Konflikt zugrunde. Diesen aufzudröseln, ist daher die Hauptaufgabe externer Spezialisten wie Gabriele Veit, die von Mobbing-Opfern und Firmen gleichermaßen zu Rate gezogen wird.
Über Kosten und Folgekosten hinaus hinterlassen Mobbing-Fälle in Unternehmen auch einen unbezifferbaren Image-Schaden. Sollte in naher Zukunft der Wettbewerb um die fähigsten Nachwuchskräfte einsetzen, könnte ein nachweislich gutes Betriebsklima den entscheidenden Ausschlag geben.
Für ein mobbing-resistentes Betriebsklima genügt es, ein paar wenigen Punkten verstärkte Beachtung zu schenken. So gilt es beispielsweise, die vielzitierte "Human Ressource" - also den betrieblichen Erfolgsfaktor Mitarbeiter - auf allen Ebenen als ethische Norm zu verinnerlichen, und diese in Form gegenseitigen Respekts und Vertrauens nach außen strahlen zu lassen. Eine offene Kommunikationskultur zu
pflegen, in der angstfrei alle Probleme diskutiert werden können, lässt Mobbing ebenso
im Keim ersticken wie präventiv eine Fachstelle für Konfliktlösungen (beispielsweise im Betriebsrat) einzurichten. Eine wirkungsvolle Mobbing-Kontrolle bietet Qualitäts-management, das gleichermaßen von oben nach unten wie von unten nach oben funktioniert.
Konsequenterweise sollte bei der Besetzung von Führungspositionen weniger die fachliche als vielmehr die menschliche Qualifikation den Ausschlag geben. Denn Wissen lässt sich im Gegensatz zu gutem Führungsstil schnell aneignen. "Mobbing ist nicht möglich ohne Führungskräfte, die das zulassen", stellt Gabriele Veit klar und plädiert vehement dafür, dem bösen Spiel keine Chance zu geben: "Beim Mobbing gibt es nur Verlierer".