Mobbing-Opfer wehren sich
Selbsthilfe-Gruppe in Wiesbaden und internationaler Fachverband
Von Andrea Springer
Sie sind betroffen und sie wollen sich zur Wehr setzen: Seit Anfang diesen Jahres etabliert sich in der Beratungsstelle „Balance“ des Vereins gegen psychosozialen Stress und Mobbing (VPSM) eine Selbsthilfe Gruppe. Einmal im Monat treffen sich hier Menschen, die sich dem zermürbenden Prozess im Arbeitsleben ausgesetzt sehen, den wir gemeinhin als Mobbing kennen.
Die systematischen und kontinuierlichen Schikanen, die Attacken von Kollegen oder Chefs auf das Selbstwertgefühl haben zum Ziel, den Betroffenen aus der betrieblichen Gemeinschaft auszusondern. Seit sechs Jahren arbeiten der Verein und Sozialpädagoge Lothar Drat in der Beratungsstelle „Balance“ gegen dieses sich immer mehr ausweitende Syndrom. Psychische, psychosomatische und körperliche Erkrankungen bei gemobbten, sogar posttraumatische Störungen, bis hin zu generellen Angststörungen werden diagnostiziert. Diese Veränderungen durch den Psychoterror hat gesellschaftliche wie betriebswirtschaftliche Folgen. Nicht nur, dass durch Mobbing „beträchtliche Mehrkosten“ zu Lasten der Versicherungsträger und Steuerzahler verursacht werden.
In bedrohlicher Weise, nimmt Drat die gesellschaftliche Dimension in den Blick, nehme auch die „Verrohung im zwischenmenschlichen Umgang“ zu. Natürlich könne eine Selbsthilfe-Gruppe kein Ersatz für professionelle Beratung bieten.
Doch diese stellt der Verein sicher, der auch Schlichtungen, Vermittlung und Mediation bei Konflikten am Arbeitsplatz übernimmt, sowie Schulungen und Weiterbildung zum Arbeitsplatzkonflikt- und Mobbingberater anbietet.
Allerdings kann die Gruppe als „Hafen“ angesehen werden, in dem Betroffene auf „Verständnis stoßen, ernst genommen und gestützt werden“, so Ursula Näf.
Näf, die für die Bernische Beratungsstelle für Mobbingfragen (BBSM) die Selbsthilfe koordiniert, kam soeben mit dem VPSM, dem Netzwerk der Selbsthilfe-Gruppen und den Vertretern der Mobbingberatungsstellen Bautzen, Kassel, Stuttgart sowie des Präsidiums der Schweizer Gesellschaft gegen psychosozialen Stress und Mobbing / Zürich, um auf Initiative von Lothar Drat den Fachverbund der unabhängigen Arbeitsplatzkonflikt- und Mobbingberatungsstellen Schweiz / Deutschland (FASD) zu gründen. Dieser lose – ohne hierarchische Strukturen funktionierende Zusammenschluss der Mobbingberatungsstellen soll, auf „Respekt, Achtung, Solidarität und Zivilcourage“ gründend, eine wirkungsvolle Bewegung gegen unnötigen psychosozialen Stress und Mobbing in Gang bringen. Wie die körperliche Gewalt, so müsse auch seelische Gewalt in das Arbeits- und Strafrecht aufgenommen werden.
Gleichzeitig bietet ein Fachverbund den Krankenversicherern einen konkreten Ansprechpartner. In den Selbsthilfe-Gruppen finden Menschen Begleitung die (solange der Prozess noch überschaubar ist) versuchen, den Kreislauf zu durchbrechen, bevor es zu den unterschwellig schwelenden Zermürbungs-prozessen kommt. Ebenso helfe die Erfahrung Gleichbetroffener, die verkrusteten Muster zu durchbrechen, eventuell auch einen Neuanfang zu wagen.
Die Wiesbadener Beratungsstelle für Menschen, die psychischer Gewalt am Arbeitsplatz ausgesetzt sind und davon zermürbt werden, stützt sich auf die Kompetenz von Dipl. Soziologen, einer Fachanwältin für Arbeitsrecht, einer Dipl. Psychologin und einem Psychotherapeuten als Supervisor, um den häufig tödlich endenden Prozess des Mobbing zu beenden.
„Lange ignorierte, geduldete oder sogar geförderte“ Konflikte, fasst Lothar Drat zusammen, stehen häufig hinter diesen indirekten Attacken, die in einer Gesellschaft prächtig gedeihen, weil diese zunehmend den Ellenbogen nicht nur zeigt, sondern auch einsetzt.
Kontakt:
Treffen der Selbsthilfe-Gruppe: Jeden ersten Mittwoch im Monat, nächstes Treffen am 6.3.02, 18:00 – 20:00 Uhr
Beratungsstelle „Balance“ des
Vereins gegenpsychosozialen Stress und Mobbing
Aukammallee 19
65191 Wiesbaden
Telefonnummer: 0611-95 70 381
weitere Infos auch im Internet unter:
http//www.VPSM.de