10.06.2010

In der Krise hat strategisches Mobbing Konjunktur

Kontrollen, Drohungen, Beleidigungen: Um in der Krise teures Personal loszuwerden, betreiben manche Chefs strategisches Mobbing gegen ältere und behinderte Mitarbeiter. Einige Beispiele.

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Von Sebastian Schwarz
(Weglassungen / Einschübe von Lothar Drat)

Worte können schwerer verletzen als Schläge und einen Menschen sogar auf Dauer arbeitsunfähig machen. An seinem Arbeitsplatz hat Rainer Bode (Name geändert) das am eigenen Leib erfahren - durch Mobbing aus der Chefetage. Schikanen und psychologischer Druck haben bei ihm Angstzustände und posttraumatische Belastungsstörungen ausgelöst, von denen er sich trotz psychotherapeutischer Behandlung bis heute nicht befreit hat. Rainer Bode ist Ende fünfzig, verheiratet und wohnt in der Rhein-Main-Region. Er gehört zu der Altersgruppe, für die Jobverlust und Arbeitsunfähigkeit besonders problematisch sind.

„Das Papier, auf dem Sie mir Ihre Arbeiten geben, hat für mich den gleichen Wert wie Scheißhauspapier! Ich werde Sie auf Kurzarbeit setzen, Ihren Job werden andere für Sie machen!“ Seit Ende 2008 hörte Bode nach eigenen Angaben solche Sätze fast täglich von seinem Chef. Seit 19 Jahren arbeitete er schon mit diesem Vorgesetzten, dem Inhaber eines kleinen Betriebes. Die plötzlichen Anfeindungen konnte er sich nicht erklären, wie er sagt. Bisher war der kaufmännische Angestellte für seine Arbeit von Kunden und Kollegen immer geschätzt worden. Zunächst hielt er den Angriffen und Drohungen seines Chefs, die immer nur unter vier Augen vorkamen, stand. Schließlich begann er sich vor ihnen zu fürchten und wurde krank, wie er weiter berichtet.

„Strategisches Mobbing“ oder auch „Bossing“

Das, was Bode an seinem Arbeitsplatz widerfahren ist, nennt Lothar Drat, Sozialpädagoge und Leiter des Vereins gegen psychosozialen Stress und Mobbing (VPSM), „strategisches Mobbing“ oder auch „Bossing“. Das Besondere dabei sei, dass der Terror nicht von gleichgestellten Kollegen ausgehe, sondern direkt aus der Führungsetage komme.

Viele Arbeitnehmer in Deutschland erlebten Ähnliches wie sein Klient Rainer Bode, den er seit Oktober vergangenen Jahres betreut, sagt Drat. Mit einem Team aus Pädagogen, Psychologen und Anwälten berät er im VPSM derzeit mehr als 140 Mobbingopfer in seiner Wiesbadener Geschäftsstelle. Unter anderem fertigt er mit den Klienten „Prozessberichte“ über deren Erlebnisse an, die dann mit der Bitte um Stellungnahme (falsch) entweder an die zuständige Personalabteilung, den Chef oder den Betriebsrat geschickt werden. (Im Vordergrund steht hier das Angebot von Schlichtung, Vermittlung, Mediation durch den VPSM-Fachverbund)

Drat kennt etliche Fälle, in denen gezielt gegen ältere oder körperlich beeinträchtigte Mitarbeiter vorgegangen wurde. Vor allem bei diesen beiden Gruppen sei strategisches Mobbing ein gängiges Mittel geworden, um Personal abzubauen. Wer auf diesem Weg langjährige Mitarbeiter rausekele, könne sich mitunter die Abfindung ersparen. Den Anteil älterer Arbeitnehmer unter den Mobbingopfern schätzt Drat auf rund zehn Prozent (falsch, er ist wesentlich höher) seit Beginn der Wirtschaftskrise sei er stark gestiegen. Diese Beobachtung teilen zahlreiche Juristen, Psychologen und Sozialpädagogen. Die wirtschaftlichen Gründe, warum Unternehmen gerade gegen langjährige, ältere Mitarbeiter vorgingen, lägen auf der Hand: Ihre Arbeitsverträge seien meist unbefristet und mit einem hohen Kündigungsschutz versehen. Nach einer betrieblichen Kündigung stünden ihnen hohe Abfindungen zu. Teil der gezielten Schikanen seien etwa der Entzug von eigenverantwortlichen Aufgaben, systematische Kontrollen und akribische Fehlersuche.

Ohnmacht, Verunsicherung und Hilflosigkeit

Bevor die Attacken gegen Rainer Bode anfingen, war er in gesundheitlich guter Verfassung. Bis zu seiner Rente wären es nur noch wenige Jahre gewesen. Doch sein Chef hatte andere Vorstellungen: „Sie werden vorher gehen, ohne dass es mich etwas kostet“, lautete Bode zufolge dessen Ziel, das er nun erreicht hat: Denn seit August 2009 ist Bode krankgeschrieben und arbeitsunfähig - eine Rückkehr in den Betrieb ist ungewiss.

Oft steckten mangelnde Führungs- und Organisationskompetenzen hinter einem Angriff aus der Chefetage, sagen Arbeitspsychologen wie Gerlinde Kaul von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Berlin. Lothar Drat kann dem nur zustimmen: „Führungskräfte geben auf diese Weise ihr Gefühl von Ohnmacht, Verunsicherung und Hilflosigkeit an ihre Mitarbeiter weiter.“ Die Folgen der Wirtschaftskrise hätten diesen Effekt weiter verstärkt. Kosten- und Leistungsdruck seien in vielen Unternehmen gestiegen, ebenso wie die Unzufriedenheit....

„Mobbingopfer schwer geschädigt, bevor sie sich Hilfe holen“

„Arbeitnehmer sollten, wenn sie diskriminiert werden, dies ihrem Vorgesetzten umgehend schriftlich mitteilen und um Abhilfe bitten“, sagt Stark. Doch den meisten fehlten zu einem solchen Schritt die nötige Kraft und Distanz, meint Drat. Je stärker Mitarbeiter in ihrem Unternehmen verwurzelt seien und sich mit ihrer ganzen Arbeitskraft einbrächten, desto härter träfen sie oft derartige Anfeindungen. Das perfide Spiel werde so lange fortgesetzt, bis sie arbeitsunfähig seien oder von selbst kündigten. Doch das tun gerade langjährige Mitarbeiter in der Regel erst einmal nicht. „Das hat zur Folge, dass viele Mobbingopfer schwer geschädigt sind, bevor sie sich Hilfe holen“, sagt Stark.

Drat kann das bestätigen: „Oft sind unsere Klienten völlig aufgelöst, ... so das sie erst psychologisch stabilisiert werden müssen. Die meisten sind wie ausgebrannt und leiden unter Ängsten und psychosomatischen Krankheitssymptomen wie Magen-, Kopf- und Muskelschmerzen, Schlafstörungen, Atembeklemmungen und Schwindel.“ Aber es gibt auch Lichtblicke: Sowohl Krankenkassen als auch Personalleiter großer Unternehmen hätten die Probleme, die Mobbing verursacht, teilweise erkannt und suchten sich selbst Rat.

Unangemeldete Kontrollen des Regionalleiters

Helmut Gahre (Name geändert) hat beide Seiten des strategischen Mobbings erlebt - als Betroffener und als Akteur im Auftrag seines Vorgesetzten. Als Betreiber einer Tankstelle wurde er Anfang 2008 von seinem Gebietsleiter dazu angehalten, Personal abzubauen. Die Person, die es treffen sollte, hatte der Gebietsleiter schon ausgesucht: eine 50 Jahre alte Vollzeitkraft, die aufgrund einer Behinderung nicht alle Tätigkeiten verrichten konnte, aber Kündigungsschutz genoss. Gahre sollte ihr mehr Aufgaben geben, als sie bewältigen konnte, und sie abmahnen, wenn ihr Fehler unterliefen - ihr notfalls Schnaps aus dem Tankstellenladen „unterjubeln“. Die Anordnung seines Chefs befolgte Gahre nicht und geriet so selbst unter Druck: Die unangemeldeten Kontrollen des Regionalleiters häuften sich, und als Gahres Stellvertreter ausschied, wurde der Posten nicht wieder neu besetzt. „Bei dir läuft es doch gut, du brauchst keinen“, hieß es aus der Zentrale. Bis zu 80 Arbeitsstunden musste Gahre in der Woche und an den Wochenenden arbeiten.  Noch heute leidet er an einem Tinnitus, als Folge eines Hörsturzes, den er Ende 2008 erlitt. Für ihn war es das Signal, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.

„Auch Rainer Bode hat sich zurückgezogen“, berichtet Lothar Drat vom VPSM. Bis heute habe er nicht die Kraft gefunden, seinen Chef mit seinem Prozessbericht (oder dem VPSM-Anschreiben / Schlichtung, Vermittlung, Mediation) zu konfrontieren. Immer noch sei die Angst zu groß, alles könnte dadurch noch schlimmer werden. Teilweise ist es das schon, seine Krankenkasse hat ihm nahegelegt, er solle seinen Fall juristisch lösen: Die Kasse könne die Folgekosten der Arbeitsunfähigkeit nicht allein schultern. Doch vor Gericht stünden die Chancen für Bode schlecht, meint Drat. Denn ihm fehlten die Beweise.

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30.09.2006

"Chefs sind meistens die Opfer und nicht so sehr die Täter"
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Der gemeinnützige Verein gegen psychosozialen Streß und Mobbing wird getragen von Arbeitgebern, Kirchen und Gewerkschaften. (Dies wäre schön und hätten wir wohl auch verdient; - entspricht jedoch leider in keinster Weise der Realität und habe ich in dem Interview auch nicht gesagt!) 
Lothar Drat, der Vorsitzende, sagt: Mediation kann Mobbing vermeiden.

FRAGE: Herr Drat, Streitereien im Betrieb gibt es viele. Ab wann beginnt Mobbing?

ANTWORT: Mobbing bedeutet, daß über einen längeren Zeitraum systematisch auf einen anderen losgegangen wird, um einen Effekt zu produzieren. Dieser Effekt hat meist das Ziel, das Opfer aus seiner beruflichen Stellung herauszuboxen. Nur wenn diese drei Aspekte zusammenkommen - Zeitraum, Systematik und Effekt -, wird jemand gemobbt.

FRAGE: Eine einmalige, inhaltlich begründete Kritik vom Chef zählt nicht dazu?

ANTWORT: Nein, auch dann nicht, wenn es sehr oft zu inhaltlich begründeter Kritik kommt. Ebenfalls kein Mobbing ist es, wenn ich mich montags gegenüber meinem Arbeitskollegen freue, daß München verloren hat, auch wenn der Bayern-Fan ist.

FRAGE: Man stellt sich den klassischen Mobbing- Täter meist als fiesen Chef vor ...

ANTWORT: ... dabei sind Chefs (mitunter nicht selten zugleich auch) ... Opfer und nicht ... (Grundsätzlich) ... Täter! Die Opfer stammen zu 40 Prozent aus einer Gruppe, in der ich sie früher selbst nicht vermutet hätte: Es sind die kreativen innovativen Leistungsträger im mittleren Alter. Sie haben Positionen, um die sie von anderen beneidet werden. Dieser Neid darf nicht unterschätzt werden. Er läßt destruktive Kräfte frei. (u.a. auch) Neid macht (innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen, denen man durchaus präventis begegnen kann) aus Arbeitskollegen Täter. Daneben gibt es aber auch noch die klassischen Mitläufer. Wir kennen das aus der Schule: Da wird einer von wenigen aktiv gehänselt, und die anderen machen passiv mit. Das sind auch keine Chefs, sondern einfache Angestellte.

FRAGE: Werden Frauen häufiger gemobbt?

ANTWORT: Genaue Zahlen gibt es nicht. Wir vermuten aber, daß Männer auch sehr häufig gemobbt werden, ohne das zuzugeben. Vielleicht ändert sich das in zehn Jahren. Die Dunkelziffer ist da noch sehr groß.

FRAGE: Mit dem AGG, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, wurde eine Beweislastverteilung eingeführt. Der potentielle Täter muß beweisen, nicht gemobbt zu haben.

ANTWORT: Ein Fortschritt mit Gefahren.

In Frankreich gibt es die Beweislastumkehr schon länger. Dort wurden Chefs des Mobbings bezichtigt, die nachweisbar keines begangen hatten, genau dies aber nur sehr aufwendig darlegen konnten. So wurden sie zu Mobbing-Opfern. Wir kennen das bei den Vorwürfen über einen sexuellen Mißbrauch.

In manchen Fällen ist der Vorwurf unbegründet. Der vermeintliche Täter lebt dann mit einem Stigma und ist das wahre Opfer.

FRAGE: Trotzdem könnte das AGG Opfern helfen.

ANTWORT: Die Frage muß vorher ansetzen: Müssen wir überhaupt die Justiz bemühen? Eine gerichtliche Auseinandersetzung ist schwierig und langwierig. Außerdem: Welche Möglichkeiten hat eine 50jährige Angestellte, die zwar einen Prozeß gewinnt, aber ihren Arbeitsplatz verliert? Wir denken, daß Schlichtung, Vermittlung und Mediation der bessere Weg sind. Mobbing ist in erster Linie kein juristisches, sondern ein psychologisches Problem. Deshalb lösen wir die Fälle, die uns bekannt werden, auch über einen ganzheitlichen Ansatz mit Psychologen, Pädagogen, medizinischen Fachkräften und Juristen - aber nicht ausschließlich Juristen.

FRAGE: Wie lange dauert Ihr Einsatz in der Regel?

In den meisten Fällen, in denen wir als "externe Feuerwehr" tätig sind, reicht (als erster Schritt zur Veränderung - für alle Beteiligten) ein Nachmittag, um die Kuh vom Eis zu bekommen. Die Gespräche finden an einem neutralen Ort statt. Nur in 10 Prozent aller Fälle wird eine Mediation mit mehreren Terminen gewünscht. Nach einer solchen Sitzung ändert sich in der Regel das Bewußtsein der Beteiligten. Manchmal werden auch strukturelle Änderungen vereinbart, zum Beispiel die Versetzung des Opfers in eine andere Abteilung.

Das Gespräch führte Jochen Zenthöfer.

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11/2000

"Da fühlst Du Dich wie ein dummer Junge"

Ein Banker traut sich, über Mobbing zu reden / 
Fusionen und Umstrukturierungen schüren Ängste

Zielscheibe Mitarbeiter

Um keine Abfindung zu bezahlen, mobben Vorgesetzte ihre Mitarbeiter aus dem Unternehmen.

Dass sie sich damit selber schaden, dämmert ihnen nur langsam.

Wie sie beim Personalabbau fair bleiben können, müssen viele von ihnen erst lernen.
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FRANKFURT. In einer Klarsichtfolie stecken ein paar in tiefblaue beschriebene Din-A4-Blätter. Herr Klausen, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, wirft einen kurzen Blick auf die sauber untereinander geordneten Notizen. Jemand, der scharf nachdenkt, bevor er spricht, so der erste Eindruck. Dann beginnt er zu erzählen, wie er am Arbeitsplatz einer großen Bank im Rhein-Mein-Gebiet systematisch gemobbt wird. „Ich fühle mich nicht als Einzelfall“, macht der etwa fünfzig Jahre alte Mann deutlich, der als einer der wenigen Mobbing-Opfer aus der Finanzbranche bereit ist zu reden.

Bis vor kurzem hat Klausen, dessen Stimme ruhig und selbstbewußt klingt, noch Personalverantwortung gehabt. Er hat Mitarbeiter eingestellt, wichtige Entscheidungen sind über seinen Schreibtisch gegangen. Einige von denen, die er vorher gefördert habe, lachten ihm jetzt ins Gesicht, seitdem er auf einen Spezialistenposten ohne Sekretärin und Team versetzt worden sei, berichtet der Banker. Ob die Respektlosigkeit an Gerüchten über ihn liege oder nur an mangelndem Rückgrat der Beteiligten, wisse er nicht.

Vor einiger Zeit habe seine Bank Umstrukturierungsschritte eingeleitet: „ Ganz langsam und subtil wurde der Druck auf mich erhöht.“ Anfangs seien beispielsweise seine E-Mails erst nach mehrfachen Mahnungen beantwortet worden. Oder der Verteiler habe ihn bei wichtigen Hausmitteilungen „vergessen“. Immer öfter sei er zum Vorgesetzten zitiert und mit Anschuldigungen konfrontiert worden, und zwar stets im Stil „Man sagt...“ Als Grund für die Versetzung habe es lapidar geheißen: Es habe Beschwerden gegeben. „Als ich wissen wollte, wem da etwas an mir nicht gepaßt hat, hat der Chef nur geantwortet: „Das will ich wegen des betriebsinternen Friedens nicht sagen:“

Klausen glaubt zu wissen, was hinter den Manipulationen steckt. Wenn er freiwillig kündige, spare sich die Bank eine - aufgrund seiner langen Betriebszugehörigkeit - beachtliche Abfindung. Der Bank-Mitarbeiter schwankt bei der Beurteilung seiner Situation zwischen rationaler Analyse und Galgenhumor. Mal spricht er von Schachfiguren, die im ungleichen Machtkampf positioniert würden, mal ist seine Stimme voll beißender Ironie, wenn er das Credo seiner Bank wiedergibt: „Bei uns gibt es kein Mobbbing !“.

In ähnlicher Weise gibt es auch bei der Dresdner Bank … Die Deutsche Bank dagegen hat Pressesprecherin Daniela Elvers zufolge in Frankfurt keine speziell ausgebildete Kraft in ihren Reihen. …

Als Klausen bemerkte, dass zielgerichtet gegen ihn intrigiert wird, suchte er beim Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing e.V. in Wiesbaden Gesprächspartner mit ähnlichen Erfahrungen. Nach den Worten von Lothar Drat, Geschäftsführer des Vereins, kommt es im Umfeld strenger hierarchischer Strukturen, wie sie oft in Banken anzutreffen sind, besonders häufig zum täglichen Kleinkrieg am Arbeitsplatz. Stehe dann noch eine Fusion an oder würden gewohnte Strukturen etwa in einer unternehmerischen Neuorientierung geändert, so beginne die Angst um den Job viele Köpfe zu beherrschen.

„Die Einsätze sind hoch in diesem Spiel“, kommentiert Klausen trocken, dass er Finanzmanager gesehen hat, denen Tränen in den Augen gestanden hätten, als sie den Dienstwagen oder die Senator-Card der Lufthansa abgeben mußten. Prestige- und Machtverlust verletze die Angestelllten der Geldinstitute weitaus mehr als finanzielle Einbußen. Der Banker, der sich selbst als pflichtbewußt, engagiert und kritisch charakterisiert, weiß um den harten Konkurrenzkampf in seinem Metier. “Da erreichen mich Mails, bei denen man am Datum erkennt, dass sie am Sonntag im Büro geschrieben wurden.“ Besonders viele junge Mitarbeiter seien vollkommen auf die Arbeit fokussiert und versuchten sich - vollkommen angepasst -verbissen nach oben zu boxen.

„Wenn einer gemobbt wird, schauen fast alle weg; aus Angst, sonst selber Opfer zu werden.“, stellt der Mann in den Fünfzigern bitter fest, der seine eigene Angst, die Arbeit zu verlieren, nicht gänzlich verbergen kann. Würde er seinen Namen nennen, müßte er wohl selbst bald die Beratungsstungsstunden bei Drat, der auch Sozialpädagoge ist, in Anspruch nehmen, gesteht er. Die Schikanen könne er nur dank seiner Frau und einer Menge Sport durchstehen. Grund für Ärger und Frustration gäbe es schließlich genug: “Da fühlst du dich wie ein dummer Junge, wenn du eine Geschäftsreise machen musst und dann ist das Ticket nicht besorgt worden.“

Laut Drat wird jeder vierte im Laufe von 35 Jahren Berufsleben Opfer von Mobbing. Hierunter verstehe die Wissenschaft die zielgerichtete Ausgrenzung eines Mitarbeiters über einen längeren Zeitraum. Die Folgen des Psychoterrors können zu psychosomatischen Beschwerden, schweren Veränderungen der Persönlichkeit bis zu Suizid führen. Auch Klausen kennt nach eigenen Angaben einige Banker, die massiv gemobbt wurden. Viele seien davon erkrankt und könnten nicht länger arbeiten. Ihn persönlich beunruhige am meisten, dass das Vorgehen so systematisch sei, als ob dahinter ein bis ins letzte durchdachtes Konzept stecke. und dabei wirkt der Banker nicht wie einer, der zu Verschwörungstheorien neigt. Es stimme aber schon nachdenklich, wenn immer wieder in ähnlicher Weise auf Mitarbeiter Druck ausgeübt werde. Der Experte für Mobbing-Opfer, Drat, kann dies weder beweisen noch widerlegen. Schon vor Jahren , weiß er, hätten aber schon Betriebswirtschaftstudenten Diplomarbeiten mit Titeln geschrieben wie: „Wie mobbe ich planvoll und effektiv“.

Klausen rafft seine Notizen zusammen, packt sie in eine braune Ledertasche. „Morgen ist wieder ein Meeting angesetzt. Da könnte es weitergehen“, sagt er nüchtern, als würde er darüber reden, dass das Wetter wieder schlechter werden soll.

Mathias Frohnapfel


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