Arbeitsklima

Wenn Geplauder zum Problem wird
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von Yvonne Scheller

Kommunikation muss sein – unangemessene Privatgespräche am Arbeitsplatz beeinträchtigen jedoch die Konzentration und mindern die Leistungsfähigkeit. Ermahnungen führen häufig eher zur Verschlechterung der Situation. Die
Kunst ist dabei ist es, den richtigen Ton anzuschlagen.


Endlose Telefonate über das letzte Date stören das Arbeitsklima empfindlich und beeinträchtigen die Konzentration.


Arbeit in einem Großraumbüro: Ständige Geräuschkulisse garantiert. Glücklicherweise ist das menschliche Wesen anpassungsfähig und mit etwas Übung lässt sich das alltägliche Gemurmel, Geschnatter und Telefongeklingel gut ausblenden. In einem Büro mit nur drei bis vier Mitarbeitern ist das ungleich schwieriger. Denn irgendwie ist das verpatzte Date, das die Kollegin gerade anschaulich schildert, so viel spannender als die Zahlenkolonnen, die heute noch fertig werden müssen. Schwierig, sich dabei zu konzentrieren.

Menschen sind unterschiedlich. Der eine findet die Gespräche nebenbei ausgesprochen anregend, der Nächste braucht absolute Ruhe. Doch gerade am Arbeitsplatz sollten wir uns verstehen, "denn wir verbringen meist mehr wache Zeit mit unseren Kollegen als mit unserem Partner", weiß Mediator Thomas Angermann. Verschiedene Persönlichkeiten bringen ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Toleranzschwellen mit.

Man sollte das offene Gespräch suchen

Für die gemeinsame Arbeit müssen daher Regeln gefunden werden, mit denen alle einverstanden sind. Sich dabei auf vollständige Ruhe zu einigen, hält Angermann allerdings für unrealistisch, "wir Menschen sind kommunikative Wesen, die es nicht acht Stunden ohne Kommunikation aushalten." Zudem sei das Büro auch ein sozialer Ort und der Austausch "darüber ob es mir gut geht oder schlecht, ist durchaus wichtig. Ebenso zu wissen, wer sitzt mir da eigentlich gegenüber?
Etwas über seine Familie, Hobbys und Vorlieben oder Abneigungen zu wissen, öffnet den Raum, in dem auch dienstliche Aufgaben besser von der Hand gehen", so Angermann. Aber natürlich gebe es Grenzen. "Wenn jemand etwa die nötige Distanz nicht wahrt, zu neugierig ist oder eben die Konzentration der anderen stört, dann können Privatgespräche zu Problemen werden."
Wird das Geplauder zum Stolperstein, muss es offen angesprochen werden, darüber sind sich die Experten einig. So rät Angermann: "Nicht verurteilen, sondern das Gespräch so führen, dass der andere es annehmen kann. Sie sollten vermitteln: Ich schätze Dich/Sie, ich mag auch unsere Gespräche, aber gerade jetzt habe ich das Gefühl, ich komme so nicht zu meiner Arbeit."

So setzen Sie Dackelgeschichten ein Ende

Etwas schwieriger werde es, wenn der eigene Geduldsfaden schon merklich gespannt ist, ein Kollege beispielsweise zum 10. Mal eine Anekdote über seinen überaus klugen Dackel erzählt. "Die Kunst ist nun, diesem Kollegen die Wertschätzung entgegen zu bringen, die er verdient und trotzdem das eigene Ziel zu erreichen: Schluss mit den Dackelge-schichten." Angermann empfiehlt das eigene Gefühl zu schildern, etwa zu sagen: "Ich stecke in einer Zwickmühle: Einerseits möchte ich höflich sein, das bedeutet, ich höre Ihnen zu. Andererseits interessieren mich erstens diese Dackelgeschichten wirklich nicht und ich muss zweitens meine Arbeit erledigen."
Noch etwas verzwickter wird die Situation, wenn auch noch eine allgemeine Abneigung gegen den Dackelbesitzer hinzukommt. Hier helfe, sich die Vorzüge des Kollegen ins Gedächtnis zu rufen, meint Angermann: "Im Allgemeinen findet sich da immer etwas. Und aus diesen Vorzügen ergibt sich die notwendige Wertschätzung und nun kann ich auf ihn zugehen und um Ruhe oder Zurückhaltung bitten."
Stimmt die Chemie oder ist die Beziehung eher gespannt? Sind die beteiligten Personen eher extro- oder introvertiert, ausgeglichen oder leicht reizbar, souverän oder schnell verunsichert? All diese Aspekte spielen hinein, wenn es darum geht, den richtigen Ansatz für ein klärendes Gespräch zu finden, weiß Christine Öttl von "Objektiv. Coaching & Training". "Ein Patentrezept gibt es da leider nicht." ...

Zunächst sollte man sich an die eigene Nase fassen

... Für eine objektive Einschätzung einer jeden Konfliktsituation sei es daher wichtig, über sich selbst Bescheid zu wissen und sich zuerst zu fragen: "Leide ich vielleicht unter der Situation nur deshalb, weil ich selbst zu streng eingestellt bin? Dann ist es an mir, die Situation zu ändern, nicht an den anderen."
Erscheint hingegen ein offenes Gespräch mit dem Kollegen als richtiger Ansatz, sollte es so bald wie möglich geführt werden, "denn wer die unangenehme Situation monatelang stumm erträgt, ist irgendwann innerlich auf 180 und explodiert plötzlich aus nichtigem Anlass."
Ist die Beziehung zu dem betreffenden Kollegen entspannt, vielleicht gar freundschaftlich, lohne sich ein gewisser Aufwand. "Am besten bitten Sie den Kollegen für das Gespräch auf ein Glas Wein oder Bier nach Feierabend. Ansonsten sollten Sie sich dazu mindestens einen extra Raum suchen. Nicht zwischen Tür und Angel und vor versammelter Mannschaft das Thema anschneiden. Sorgen Sie für etwas Ruhe", rät die Expertin.

Suchen Sie einen lockeren Gesprächseinstieg und stellen Sie keine Forderungen

Ein guter Einstieg sei nun etwa: "Es fällt mir nicht leicht, dieses Gespräch zu führen, aber ich habe wirklich ein Problem." Cool sein sei in dieser Situation eher hinderlich. Wichtig sei zudem, den anderen zu Wort kommen lassen. Sich seine Sicht der Dinge anzuhören - "und zwar wirklich zuhören! Ihn auch gern ermuntern: Wie siehst Du das?" So entstehe eine lockere Gesprächsatmosphäre. Für entscheidend hält Öttl außerdem: "Keine Forderung stellen! Das mag nämlich niemand. Stattdessen, das Problem aus eigener Sicht darlegen und um Unterstützung bitten."
Aber Öttl warnt auch: "So ein Gespräch kann vieles auslösen, das muss klar sein. Zwischenmenschliche Beziehungen können schwierig und komplex sein." So könne der andere durchaus heftig und mit Empörung oder Ärger reagieren. Dann sei eine Vertagung möglicherweise die richtige Reaktion. "Jeder von uns weiß, wie schnell Wut verraucht, wenn wir eine Nacht darüber geschlafen haben."
Bleiben jedoch auch mehrmalige Gespräche ohne Erfolg, "dann einen letzten entschiedenen Appell wagen und sagen: Ich kann das nicht länger tolerieren!" An diesem Punkt sei auch das Drohen mit dem Chef eine Option, "aber versuchen Sie trotzdem, dem Kollegen immer noch die Möglichkeit zur Kooperation zu bieten." Öttl könnte sich dazu folgende Formulierung vorstellen: "Ich sage das jetzt ganz offen: Wenn wir das Problem nicht lösen können, muss ich zum Chef gehen, auch wenn ich das wirklich ungern tue. Vielleicht überdenkst Du deine Haltung noch einmal? Denn wir müssen einen Weg finden, so kann ich leider nicht weiterarbeiten."

Das "BANK"-Modell sorgt für eine konstruktive Gesprächsatmossphäre

Neben dem Chef gibt es noch weitere mögliche Ansprechpartner. So könnte der Gang zum Betriebsrat lohnend sein. Robert Hornsteiner, freier Trainer beim "W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung" schult Betriebsräte für den richtigen Umgang mit Konfliktsituation. Dabei erlebt er immer wieder, "dass die Parteien mit dem Finger auf den anderen zielen. Das ist kein sinnvoller Umgang miteinander." Vielmehr müsse versucht werden, die Situation möglichst objektiv zu analysieren und zu einer für alle Beteiligten zufrieden stellenden Lösung zu kommen.
Hilfreich könne dabei das "BANK"-Modell sein: "B: Beschreiben der derzeitigen Situation, A: Auswirkungen des beschriebenen Verhalten auf mich und andere, N: Neue Verhaltensweise als Wunsch äußern und K: Konsequenz aus dieser Verhaltensweise ziehen. Bei diesem Modell haben wir keine störende Bewertung und verletzen somit keine Emotionalität oder Persönlichkeit", erklärt Hornsteiner. Und er rät: "Wenn Sie miteinander sprechen, achten Sie auf Ihre Ich- und Du- Botschaften. Du- Botschaften wirken schnell verletzend, Ich-Botschaften sind für eine konstruktive Gesprächsatmosphäre viel sinnvoller."

Geplauder am Arbeitsplatz kann gefährliche Konsequenzen haben

Kleiner Anlass, große Wirkung. Im Grunde, so betonen die Experten, sollte sich ein Problem wie störende Privatgespräche, mit etwas gutem Willen und Offenheit auf
beiden Seiten intern regeln lassen. Sollte aber die Auseinandersetzung um nervige Dackelgeschichten eskaliert sein und die Beteiligten nicht mehr in der Lage sein, miteinander umzugehen, ist Lothar Drat gefragt.

Der Konfliktberater und Mobbingexperte weiß wie wichtig es ist, jeden einzelnen Konflikt zu lösen, "denn die Ursache für einen großen Teil von Mobbingfällen sind unausgeräumte Konflikte jeder Art. Ohne dramatisch klingen zu wollen, letztendlich ist jedes nicht gelöste Problem eine Mobbing-Zeitbombe."

Zudem plädiert Drat für Zivilcourage, sollten sich Privatgespräche einmal in eine verletzende Richtung entwickeln und etwa abwesende Kollegen verleumden:
"Lästern ist weit verbreitet und oftmals auch harmlos. Doch sollte das Gespräch die Form von übler Nachrede annehmen, sollten Sie dies sofort unterbinden." Er rät zu Fragen wie: Kannst du das eigentlich belegen? Weißt Du wie gefährlich so eine Aussage werden kann?

Tatsächlich könne sich bösartiges Gerede schnell verselbstständigen und dann in eine Form psychischer Gewalt abdriften, "die ernste Folgen für den Betroffenen haben kann." Und die kennt Drat aus seiner täglichen Praxis zur Genüge.

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