Bossing-wenn der Chef mobbt
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Mobbing am Arbeitsplatz ist ein weit verbreitetes Problem – nicht nur unter Kollegen. Auch Chefs können Mitarbeiter drangsalieren. Dann liegt ein typischer Fall von Bossing vor.

(von Margret Uhle)


Seit Monaten leidet Expedientin Silke F. (38) unter Schlafstörungen, oft schmerzendes Herz und ... Der Hausarzt bescheinigte ihr ein „psychovegetatives Erschöpfungssyndrom“. Der Grund: erhebliche Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz. Und zwar nicht mit den Kollegen, sondern mit dem Chef – ein typischer Fall von Bossing. Denn Silkes Chef hat gerade sie als Sündenbock ausgeguckt, er mag seine stellvertretende Büroleiterin nicht, will sie so dazu bringen, zu kündigen. …


Drangsalieren Chefs ihre Mitarbeiter, sprechen Forscher von Bossing – einer sehr deutschen Mobbing-Variante. Sie ist eine Folge der hier zu Lande nach wie vor stark ausgeprägten Hierarchien … Kommt ein Chef nicht mit seinen Mitarbeitern zurecht, wird versucht, diesen rauszuekeln, um die Abfindung zu sparen. Ein Phänomen, das gar nicht mal selten vorkommt: …


Dabei verursacht Mobbing oder Bossing nicht nur individuelles Leid, sondern ist für Betroffene und Krankenkassen gleichermaßen teuer. Für die Behandlung von Depressionen, Hörsturz, Nervenzusammenbrüchen müssen die Kassen pro Mobbing-
Opfer … (?) DM aufbringen. Längere Krankschreibungen kosten eine Betrieb … In Managementpositionen bei größeren Firmen summieren sich die Kosten nach Berechnung der AOK auf 300.000 DM und mehr. Warum mobben Chefs systematisch Untergebene? Stressforscher Dieter Zapf von der Uni Frankfurt sieht die Hauptursache „bei Führungskräften, die unter Qualifikations- und Persönlichkeitsproblemen leiden“.
Hinter dem übermäßigen Verlangen nach Macht und Anerkennung verbergen sich oft unbewältigte Konflikte. Häufig wollen sich diese Männer und Frauen im Beruf verbissen die Anerkennung holen, die sie nicht im Privatleben bekommen. Soziale Kompetenz als Voraussetzung für eine Führungsposition ist bei ihnen so gut wie nicht gefragt. Persönliche Macken hat zwar jeder von uns. Chefs können sie aber besonders gut ausleben. Gerade der narzisstische und ichbezogene Vorgesetzte versucht, eigene Minderwertigkeitskonflikte durch ein übertriebenes Verlangen nach Bewunderung und Anerkennung zu kompensieren.


Die meisten Mobbing-Opfer sind dabei keineswegs Drückeberger und Faulpelze.
„Typische Bossing-Opfer identifizieren sich mit dem Betrieb, sie sind meist besonders fleißig, kreativ und loyal. Wegen ihrer Leistungen wiegen sie sich oft in Sicherheit und haben von daher keine Antennen für sich, unterschwellig aus verschiedenen Gründen anbahnende Konflikte“, so Lothar Drat vom Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing in Wiesbaden. Viele Chefs fühlen sich gerade von solchen Mitarbeitern bedroht. Von Kollegen ist bei Bossing kaum Hilfe zu erwarten. Sie schlagen sich gern auf die Seite der Vorgesetzten. Für die Opfer heißt es dann „Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner“.


Das Angebot ihres Arztes, sie Krankzuschreiben, lehnte Silke F. zunächst allerdings vehement ab. „Das würde meinem Peiniger so passen, dann hätte er Oberwasser.“


Lothar Drat ist da anderer Meinung: „Wer wochen- oder monatelang regelmäßig schikaniert wird und daher ... Beschwerden hat, ist eindeutig Opfer einer Mobbing- oder Bossing-Kampagne und braucht meist Hilfe. Es ist selten, dass ein Betroffener in diesem Stadium wieder ins alte Betriebsumfeld integriert werden kann. Er sollte nach Möglichkeit die Abteilung oder gleich den Betrieb wechseln. Unnötiges Durchhalten schadet da nur der Gesundheit.“


Als einziger Ausweg bleibt oft der Firmenwechsel. In diesem Stadium muss unbedingt mit dem Arbeitgeber verhandelt werden. Denn nun kommt es auf die Bedingungen an,
zu denen jemand ein Unternehmen verlässt. Drat: „Wichtig ist eine Lösung zu finden, mit der alle leben können. Hier heißt es Vernunft walten zu lassen, einen Kompromiss auszuhandeln, um den Gang zum Gericht zu vermeiden.“ Mobbing-Berater können zu diesem Zeitpunkt beide Seiten wirksam unterstützen. Nicht nur Gemobbte können sie anfordern, sondern auch die Bosse. Drat: „Eine Stunde Beratung und Vermittlung zwischen den Parteien kostet den Chef 94 DM.“ Mobbing-Betroffene erhalten die Hilfe billiger. Sie zahlen pro Stunde lediglich 68 DM. (…)

(fvw)

Rat und Hilfe

Das Mobbing-Telefon der AOK: 040/20230209

Wer in seiner Nähe eine Beratungsstelle, einen Psychologen oder Anwalt sucht oder Info-Material bestellen will, kann sich an folgende Adresse wenden:


Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing
Kemmelweg 10
65191 Wiesbaden

0611/541737 und 9570381

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VPSM - Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing e.V.
Am Burgacker 70, 65207 Wiesbaden
0611 - 54 17 37
beratung@vpsm.de
Mo-Fr: 10.00 - 18.00

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